Dienstag, 2. September 2003
         Leonberger Kreiszeitung

         Lokales Magazin für Blinde soll bekannter werden
         „Kreis Böblingen regional" stellt sich am 11. September
         im Foyer des Landratsamts Böblingen vor

         BÖBLINGEN - Sie sind „Aufleser" der besonderen Art. Täglich durchforsten sie
         die Lokalzeitungen nach interessanten Meldungen. Dies ist der erste Schritt
         des Auflesens. Es folgt im Drei-Wochen-Turnus das, was man gewöhnlich mit
         Vorlesen bezeichnet. In diesem Fall geht es ums „Auflesen". Die Meldungen
         werden auf Tonband gesprochen. Das Endprodukt: eine akustische Lokalzeitung
         für Blinde.

         Von Sybille Schurr

         15 Aufleser im Kreis teilen sich die Aufgabe. „Uns verbindet zum einen der
         Spaß am Vorlesen, viel wichtiger ist uns aber noch das Ergebnis, mit dem wir
         blinde und sehbehinderte Menschen erreichen", berichtet Renate Fischer aus
         Böblingen. Sie hat sich dem Kreis der „Aufleser" vor drei Jahren angeschlossen
         und koordiniert die Gruppe der „Aufleser" seitdem, ein Erfolg für die
         Böblinger Aktion „Mach mit", die Menschen für bürgerschaftliches Engagement
         anspricht.

         Je fünf „Aufleser" treffen sich alle drei Wochen, um eine neue Tonbandzeitung
         mit lokalen Inhalten zusammenzustellen. Gut drei Stunden dauert solch eine
         Redaktionssitzung mit Textauswahl und Auflesen. Das Aufnahmegerät in der
         Tischmitte, um das sich alle gruppieren spielt die Hauptrolle. Versprecher -
         Schnitt, nochmal von vorn.

         Geschriebenes ist nicht immer vorlesetauglich, manche Meldung muss „hörbarer"
         formuliert werden. „Wichtig ist, dass die Stimmen häufig wechseln", weiß
         Renate Fischer mittlerweile aus Erfahrung. Interviews werden auch mit
         verteilten Rollen gelesen. Ein Beitrag sollte fünf Minuten nicht
         überschreiten. Die Sparten - Lokalpolitik, Wirtschaft, Kirche und Soziales,
         Kultur, Natur und Ökologie, Sport und Verschiedenes - werden durch einen Gong
         hörbar von einander getrennt. Für den Hörer oder Leser hat das Tonband den
         Vorteil, dass er wie bei einer Zeitung vor- und zurückblättern kann.

         90 Minuten Information und Unterhaltung für blinde Leser kommen so zu Stande.
         Die fertige Kassette wird am gleichen Abend nach Holzminden geschickt, dort
         wird die Lokalzeitung zum Hören vervielfältigt und an die Abonnenten im Kreis
         Böblingen geschickt. Rund 40 Leser hat „Kreis Böblingen regional ..." Viel zu
         wenig, empfindet Renate Fischer, deshalb will sie eine Offensive starten, die
         die Blindenzeitung zum Hören bekannter machen soll. Eine öffentliche
         Produktion findet am 11. September (ab 13.30 Uhr) im Foyer des Landratsamtes
         statt. Dabei werden Prominente aus Leonberg, Böblingen, Sindelfingen und
         Herrenberg zu „Auflesern", unter ihnen Landrat Bernhard Maier.

         Renate Fischer hat noch viele Ideen für die Zeitung, doch was sich Jahrzehnte
         bewährt hat, soll nur langsam und behutsam verändert und erneuert werden. Bis
         ins Jahr 1982 gehen die Wurzeln der akustischen Wochenzeitung im Kreis
         Böblingen. Die Kassetten für „Böblingen Regional" wurden damals in einer
         Sindelfinger Familie produziert. Die Idee des Zeitungslesens mit den Ohren
         wurde aus der Not geboren: Hans Dieter Sailer erblindete als 19-Jähriger.
         Gemeinsam mit Freunden im Blindenverein gründete er 1973 die „Holzmindener
         Blindenzeitung". Inzwischen ist Holzminden zur Zentrale akustischer Lokal- und
         Fachzeitschriften geworden, die in 35 Städten und Regionen regelmäßig
         erscheinen.

         Die 15 „Aufleser" im Kreis produzieren ihre Tonbandzeitung nicht für anonyme
         Leser: „Wir haben Kontakt zum Blindenverband im Kreis." Ein gemeinsames Essen,
         ein Ausflug, die Kontaktmöglichkeiten werden von Lesern und Auflesern gepflegt.

         Foto:
         Eine Redaktionsgruppe des Hörmagazins „Kreis Böblingen regional" für Blinde
         Geschriebenes eignet sich nicht immer dazu, vorgelesen zu werden. Bei den
         Treffen bereiten die so genannten „Aufleser" die Meldungen aus den
         Lokalzeitungen auf. Interviews werden bisweilen auch mit verteilten Rollen auf
         Kassette gesprochen.
         Foto: Friedrich Stampe

         Kontakt aufnehmen mit dem Hörmagazin
         BÖBLINGEN - Die so genannte „Aufleser"-Gruppe für „Kreis Böblingen regional"
         koordiniert Renate Fischer. Interessierte erfahren bei ihr Näheres über das
         Hörmagazin: Taunusstraße 58, 71032 Böblingen, Telefon/Fax 07031/273939,
         E-Mail: boeblingen@atz-blinde.de, sys